Death Cloud ysh-1 Read online

Page 11


  Sherlock spürte, wie sich Frustration in ihm breitmachte, aber er sagte nichts. Er hatte das starke Gefühl, dass dies doch sein Kampf war. Und wenn auch nur, weil niemand sonst den Mann in der Kutsche gesehen hatte und nur er das gelbe Pulver für wichtig hielt. Doch eventuell hatte Amyus Crowe in einer Hinsicht ja doch nicht ganz unrecht. Crowe zu überreden, dass da etwas vor sich ging, gehörte vielleicht nicht zu den Kämpfen, denen Sherlock sich stellen sollte. Vielleicht würde sich irgendwo noch ein anderer Weg ergeben.

  »Also gut, was steht denn heute auf dem Plan?«, fragte er stattdessen.

  »Mir ist so, als wären wir der Sache mit den essbaren Pilzen noch nicht auf den Grund gegangen«, erwiderte Crowe. »Lass uns eine kleine Wanderung machen und sehen, was wir so finden. Auf dem Weg werde ich dir außerdem einige Wildpflanzen zeigen, die man roh und gekocht essen kann. Aus einer lässt sich sogar ein schmerzlindernder Teeaufguss bereiten.«

  »Toll«, sagte Sherlock.

  Zusammen verbrachten sie die nächsten paar Stunden damit, durch die Landschaft zu streifen und alles zu essen, was genießbar und in Reichweite war. Fast gegen seinen Willen lernte Sherlock eine Menge darüber, wie man in der Natur nicht nur überlebte, sondern auch gut zurechtkam. Crowe zeigte ihm sogar, wie man sich ein bequemes Bett machte. Hierzu musste man Farnkraut bis auf Schulterhöhe übereinander schichten und dann auf den Haufen klettern. Durch das Körpergewicht wurde der Haufen zusammengepresst, bis er so dick und bequem wie eine Matratze war.

  Als er anschließend mit dem Rad zurück nach Holmes Manor fuhr, wollte sich Sherlock eigentlich wieder auf die beiden Toten, den abgebrannten Lagerschuppen, das gelbe Pulver und die mysteriöse Todeswolke konzentrieren. Aber immer wieder landeten seine Gedanken bei Virginia. Mal bei ihren roten Haaren, die sich über ihre Schultern ergossen, mal bei ihrem stolzen geraden Rücken, dann wieder bei ihren eng anliegenden Reithosen und schließlich bei ihrem Körper, wie er beim Davonreiten anmutig auf- und abwippte. Dann fielen ihm plötzlich wieder das gelbe Pulver und die Probe ein, die er im Wald eingesammelt hatte und im Umschlag aufbewahrte.

  Wenn die Schlägertypen aus dem Lagerhaus recht hatten, stand der Tod der beiden Männer mit irgendetwas Ansteckendem oder Giftigem in Verbindung. Oder zumindest mit etwas, das bei Berührung gesundheitliche Probleme zur Folge hatte. Angenommen es handelte sich dabei um das gelbe Pulver, dann musste er nur noch herausfinden, was genau es war, ungeachtet Amyus Crowes kaum verhüllter Warnung. Er selbst verfügte definitiv weder über das Wissen noch über die Ausrüstung, um es selbst zu erledigen. Er brauchte einen Chemiker oder einen Apotheker oder etwas in der Art, der das Pulver analysieren könnte, und es war unwahrscheinlich, so jemanden in Farnham zu finden. Auf dem Weg nach Holmes Manor war er mit seinem Bruder durch Guildford gekommen. Und wenn das die nächste größere Stadt war, dann würde Sherlock vielleicht dort jemand Geeigneten finden. Einen geschulten Naturwissenschaftler, der ihm sagen könnte, worum es sich bei dem Pulver handelte. Amyus Crowe hatte einen Experten erwähnt, der dort lebte. Professor Winchcombe. Warum sollte er ihn nicht einfach aufsuchen?

  Jetzt musste er nur noch irgendwie nach Guildford kommen.

  7

  Am nächsten Tag spürte Sherlock Matty auf dem Markt auf. Allmählich war er in der Lage, Mattys Bewegungen vorherzusagen. Es war bereits fast Mittag, und die Händler waren schon seit dem frühen Morgen auf den Beinen gewesen. Infolgedessen würde ihnen mittlerweile der Magen knurren. Da war es nicht unwahrscheinlich, dass sie sich im Wechsel etwas zu essen besorgten. Einer würde dann auf zwei Stände zugleich aufpassen müssen, während der andere unterwegs war, um sich ein Stück Brot, etwas Fleisch, eine Pastete oder vielleicht einen Krug Bier zu genehmigen. Das bedeutete, dass der Mittag zu den Tageszeiten gehörte, während denen die Aufmerksamkeit der Marktleute geteilt war. Das bot Matty die Chance, vom Rand eines Standes unbemerkt ein paar Früchte oder etwas Gemüse zu stibitzen. Vermutlich sollte Sherlock Diebstahl missbilligen. Aber wenn Menschen verhungerten oder Kinder eingefangen und ins Armenhaus verschleppt wurden, war das ebenfalls zu missbilligen. Also handelte es sich vermutlich um ein ethisches Dilemma, das sich die Waage hielt, und um ehrlich zu sein, missgönnte er Matty den einen oder anderen wurmstichigen Apfel keineswegs. Es würde das Britische Empire nicht in den Untergang stürzen.

  Die Marktstände waren auf einem kleinen Platz verteilt, der von drei Seiten von Gebäuden umgeben war.

  Es gab Stände mit Bergen von Zwiebeln, Pastinaken, Kartoffeln, Rote Bete sowie Gemüsearten in den unterschiedlichsten Farben, die Sherlock nicht einmal kannte. An anderen Ständen konnte man Schinken kaufen, die am Haken hingen und von Fliegen umschwirrt wurden, und Fisch, der auf Stroh ausgelegt war.

  Einige Händler boten diverse Werkstoffe und Tuche aus Seide, Wolle oder Baumwolle an. In einem provisorischen Pferch war eine Schafherde zusammen mit zwei Schweinen untergebracht, die es sich auf dem Boden gemütlich gemacht hatten und unbeeindruckt von dem Radau ringsumher ein Nickerchen machten. Die zahlreichen Gerüche und Düfte, die ihm in die Nase stiegen, waren fast überwältigend, jedoch noch nicht unangenehm. Doch bei Sonnenuntergang würde es auf dem ganzen Platz, so Sherlocks Vermutung, nach fauligem Gemüse und vergammeltem Fisch riechen. Dann wären die meisten Käufer jedoch schon wieder verschwunden, und nur die Armen der Stadt würden noch zwischen den Ständen umherstreifen, in der Hoffnung, dass die Händler ihre Preise reduzierten, um ihre Ware noch loszuwerden.

  Eine gedämpfte Atmosphäre schien in der Luft zu liegen. Denn es ging nicht so lebhaft zu, wie es Sherlocks Erinnerung nach sonst der Fall war. Normalerweise war der Markt nicht einfach bloß ein Ort, an dem man die Dinge des täglichen Bedarfs besorgen konnte. Vielmehr stellte er für die Leute auch ein wichtiges gesellschaftliches Ereignis dar. Aber heute war vom üblichen Trubel und Gedränge nicht viel zu merken. Die meisten Käufer schienen gezielt die jeweiligen Stände anzusteuern, wo sie dann nicht mehr handelten als unbedingt nötig, um anschließend gleich wieder zu verschwinden.

  »War Crowe da?«, fragte Matty, als Sherlock ihn aufgestöbert hatte. Er saß auf einer umgedrehten Holzkiste und beobachtete gespannt, ob nicht irgendeiner der Händler einmal in seiner Achtsamkeit nachließ.

  »Zuerst nicht, aber ich habe seine Tochter kennengelernt.«

  »Ja, die hab ich auch schon mal hier gesehen.«

  »Du hättest mir ruhig von ihr erzählen können«, beschwerte Sherlock sich. »Ich war völlig überrascht, als sie so plötzlich vor mir stand. Ich muss wie ein Idiot ausgesehen haben.«

  Matty musterte ihn rasch von oben bis unten. »Ja, so ziemlich«, sagte er dann.

  Verlegen versuchte Sherlock, das Thema zu wechseln. »Mir ist da was eingefallen und …«

  Er brach ab, als Matty plötzlich in die Menge davonflitzte. Wie ein Aal zwischen Felssteinen schlängelte er sich zwischen den Marktbesuchern hindurch, und Sekunden später war er auch schon wieder zurück. »Is von ’nem Stand gefallen«, verkündete er stolz, während er den Dreck von einer Schweinefleischpastete abputzte. »Hab nur darauf gewartet, dass das passiert. Die haben viel zu viel von dem Zeugs aufeinandergeschichtet. Irgendwann musste einfach eine runterfallen.« Er nahm einen riesigen Bissen und reichte seine Beute dann an Sherlock weiter. »Hier, probier mal.«

  Sherlock knabberte ein bisschen von der Kruste am Rand ab. Es schmeckte salzig und buttrig. Er biss noch einmal ab und erwischte diesmal etwas von dem rosafarbenen Fleisch und dem durchsichtigen Gelee. Das leckere Fleisch war mit kleinen Fruchtstücken gespickt, bei denen es sich Sherlocks Vermutung nach um Backpflaumen handelte. Aber was auch immer es war, die Geschmackskombination war einfach unglaublich.

  Er gab Matty die Pastete wieder. »Ich hab schon ein paar Äpfel und etwas Käse gehabt«, sagte er. »Iss du auf.«

  »Du hast gesagt, dass dir was eingefallen ist.«

  »Ich muss irgendwie nach Guildford kommen.«

  »Mit dem Rad wird das einige Stunden dauern«, sagte Matty, ohne die Augen vom Marktgeschehen abzuwenden.

  Sherlock dachte daran zurück, wie er auf der Reise von der Deepdene-Schule nach Farnham durc
h Guildford und anschließend Aldershot gekommen war. Den ganzen Weg nach Guildford und wieder zurück mit dem Rad zu fahren, war kein sehr verlockender Gedanke. Und er war nicht sicher, ob das an einem Tag zu schaffen war. Einmal abgesehen davon, dass er auch noch einen Experten finden musste, der sich sowohl mit Giften als auch mit Seuchen auskannte.

  Er seufzte. »Vergiss es«, sagte er. »War nur eine blöde Idee.«

  »Nicht unbedingt«, antwortete Matty. »Es gibt andere Wege, nach Guildford zu kommen.«

  »Ich kann nicht reiten, und ein Pferd habe ich auch nicht.«

  »Und was ist mit dem Zug?«

  »Ich würde die Aktion lieber unbemerkt durchziehen, ohne dass jemand davon erfährt. MrsEglantine scheint den Stationsvorsteher zu kennen, und ich will nicht, dass sie weiß, was ich die ganze Zeit über so mache.«

  MrsEglantine ist keine Freundin der Familie. Urplötzlich musste er wieder an die Worte aus Mycrofts Brief denken und ihm fröstelte.

  »Es gibt noch einen Weg«, sagte Matty zögernd.

  »Und zwar?«

  »Auf dem Wey.«

  »Auf dem was?«

  »Auf dem Wey. So heißt der Fluss, der von hier nach Guildford fließt.«

  Sherlock dachte einen Augenblick über den Vorschlag nach. »Wir würden ein Boot brauchen.« Dann fügte er, bevor Matty noch etwas sagen konnte, hinzu: »Und du hast eines, zumindest ein kleines Kanalboot.«

  »Und ein Pferd, um es zu ziehen.«

  »Wie lange würden wir brauchen?«

  Matty überlegte einen Moment. »Vermutlich genauso lange wie mit dem Rad. Aber es ist sehr viel bequemer. Heute schaffen wir es wahrscheinlich nicht mehr. Wir könnten uns morgen bei Sonnenaufgang treffen. Wir wären allerdings die meiste Zeit auf dem Wasser unterwegs. In Guildford wirst du nicht sehr viel Zeit haben.«

  »Wie wär’s dann, wenn wir noch vor Sonnenaufgang losfahren?«, fragte Sherlock.

  Matty blickte ihn skeptisch an. »Werden sich deine Tante und dein Onkel keine Sorgen machen?«

  In Sherlocks Kopf surrte es wie in einer Standuhr, die kurz vor dem Schlagen war. »Nachher beim Abendessen werde ich erzählen, dass ich gleich ins Bett gehe. Wenn es später dunkel ist und alle schlafen gegangen sind, kann ich mich aus dem Haus schleichen. Ich bin sicher, dass das klappt. Nach mir hat noch nie jemand gesehen. Und ich kann eine Nachricht im Speisezimmer hinterlassen, in der ich mitteile, dass ich schon vor dem Frühstück aufgestanden bin, um mit Amyus Crowe rauszugehen. Die Botschaft werden sie erst am Morgen finden. Das funktioniert garantiert!«

  »Der Fluss fließt dicht am Haus deines Onkels vorbei«, sagte Matty. »Ich kann dir eine Karte zeichnen und dich dann dort abholen. Wir können schon morgens in Guildford und noch vor Sonnenuntergang wieder zurück sein.«

  Matty nahm einen spitzen Stein vom Boden auf und ritzte damit rasch eine Karte auf ein Holzstückchen, das er aus seiner Sitzgelegenheit herausgebrochen hatte. Sherlocks Vermutung nach konnte der Junge weder lesen noch schreiben, aber seine Karte war perfekt und so gut wie maßstabsgetreu. Sherlock konnte sich genau vorstellen, wo sie sich treffen würden.

  »Ich brauche dich, damit du was erledigst«, sagte Sherlock.

  »Was?«

  »Hör dich mal um. Sieh, ob du was über den toten Mann rausfinden kannst. Der, vor dessen Haus du gestanden hast. Krieg raus, was er so gemacht hat.«

  »Wie meinst du das?«

  »Was er beruflich gemacht hat. Womit er sein Geld verdient hat. Ich hab das Gefühl, das könnte wichtig sein.«

  Matty nickte. »Ich werd tun, was ich kann«, erwiderte er. »Aber normalerweise erzählt man Kindern nichts.«

  Danach ging alles reibungslos über die Bühne. Sherlock fuhr zurück nach Holmes Manor und kam gerade an, als sich die Familie zum Mittagessen versammelte. Er versuchte, seinen Plan in Gedanken noch einmal gründlich durchzugehen. Er prüfte, inwieweit jede Phase auch unvorhergesehenen Ereignissen standhalten würde, und klopfte die Details nach Schwachstellen ab. Aber unversehens ertappte er sich immer wieder dabei, wie seine Gedanken zu Virginia Crowe abschweiften. Allerdings wollte es ihm nicht so richtig gelingen, sich die Konturen ihres Gesichtes und die Form ihres wallenden Haares ins Gedächtnis zu rufen.

  Amyus Crowe traf nach dem Mittagessen ein. Anschließend gingen die beiden gleich hinaus auf die Veranda, wo Crowe Sherlocks Denkvermögen einige Stunden lang mit Puzzles und Denkspielen auf die Probe stellte. Vor allem eines blieb Sherlock im Gedächtnis haften.

  »Also, stellen wir uns mal Folgendes vor: Drei Burschen beschließen, sich die Kosten für ein Hotelzimmer zu teilen«, sagte Crowe. »Das Zimmer kostet dreißig Schilling die Nacht, einschließlich Abendessen und Frühstück. Offensichtlich haben wir es hier mit einem noblen Haus zu tun. Also zahlt jeder der drei dem Geschäftsführer zehn Schilling. Soweit alles klar?«

  Sherlock nickte.

  »Gut. Am nächsten Morgen stellt der Geschäftsführer fest, dass er einen gravierenden Fehler gemacht hat. Wegen Umbauarbeiten im Hotel wird das Zimmer eigentlich zu einem Spezialtarif angeboten. Also schickt er einen Pagen zu ihnen aufs Zimmer, um ihnen fünf Schillinge zurückzugeben. Die drei sind so angetan, dass sie beschließen, dem Pagen zwei Schillinge Trinkgeld zu geben, während jeder einen Schilling für sich behält. Also bezahlt am Ende jeder neun, anstatt zehn Schillinge, und der Page hat zwei Schillinge bekommen. Richtig?«

  Wieder nickte Sherlock, aber sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren, um noch mitzukommen. »Moment. Wenn jeder am Ende neun Schillinge zahlt, macht das insgesamt siebenundzwanzig Schillinge. Zählt man die beiden Schillinge, die der Page bekommen hat, hinzu, kommt man auf neunundzwanzig Schillinge. Ein Schilling fehlt.«

  »Das ist richtig«, sagte Crowe. »Sag mir, wo er geblieben ist.«

  Die nächsten zwanzig Minuten verbrachte Sherlock damit, auf die Lösung zu kommen. Zunächst probierte er es im Kopf, dann auf Papier. Doch schließlich musste er eingestehen, dass er geschlagen war. »Ich komm’ einfach nicht drauf«, sagte er. »Der Geschäftsführer hat fünf Schillinge zurückgezahlt und damit hat er ihn nicht mehr. Der Page hat zwei Schillinge bekommen, somit hat er ihn auch nicht erhalten. Und die drei haben jeder einen Schilling zurückbekommen, und folglich haben sie ihn auch nicht.«

  »Das Problem liegt in der Betrachtungsweise«, erklärte Crowe. »In der Tat, drei mal neun Schillinge macht siebenundzwanzig Schillinge. Aber darin ist das Trinkgeld bereits enthalten. Es macht keinen Sinn, das Trinkgeld zu dieser Summe hinzuzurechnen, um so auf neunundzwanzig Schillinge zu kommen. Wenn du das Problem restrukturierst, wird dir klar, dass die drei Männer fünfundzwanzig Schillinge für das Zimmer und zwei Schillinge für das Trinkgeld gezahlt haben. Dann haben sie jeder einen Schilling zurückbekommen, wodurch wir insgesamt wieder auf dreißig Schillinge kommen. Und somit lautet das Fazit also …?«

  Sherlock nickte. »Lass nicht zu, dass jemand anderes das Problem für dich formuliert, weil er dich auf den Holzweg führen könnte. Nimm die Fakten, die man dir zur Verfügung stellt, sieh sie dir in aller Ruhe an, und formuliere das Problem dann in einer logischen Weise, die dich in die Lage versetzt, die Lösung zu finden.«

  Amyus Crowe ging vor dem Abendessen, und Sherlock kehrte in sein Zimmer zurück, um darüber nachzudenken, was er gelernt hatte. Zum Abendessen begab er sich wieder hinunter und aß schweigend, während sein Onkel las und seine Tante vor sich hinredete. MrsEglantine stand wieder etwas abseits im Raum und beäugte ihn argwöhnisch. Er mied jedoch einfach ihren Blick. Nur ein einziges Mal kam so etwas wie eine Konversation auf, als sein Onkel von seinem Buch aufsah und sich an die Hauswirtschafterin wandte. »MrsEglantine, was bieten die Gärten von Holmes Manor so an Lebensmittelvorräten?«

  »Was Gemüse anbelangt, so bauen wir genug für unsere eigenen Bedürfnisse an«, sagte sie mit verkniffenem Mund. »Bei Geflügel und Eiern sieht es genauso aus. Was Fleisch und Fisch betrifft, kommen wir vermutlich ein paar Wochen zurecht, wenn wir sparsam haushalten.«

  Onkel Sherrinford nickte. »Ich denke, wir sollten mit dem Schlimmsten rechnen. Treffen Sie Vorkehrungen zum Räuchern oder machen Sie auf andere Weise so
viel Fleisch wie möglich haltbar. Legen Sie Vorräte von allen Grundnahrungsmitteln an. Wenn sich die Pest in Farnham ausbreitet, werden wir vielleicht einige Zeit isoliert sein. Ich weiß, dass Amyus Crowe zu Ruhe und Geduld rät, aber wir sollten Vorkehrungen treffen.« Er wandte sich Sherlock zu. »Apropos MrCrowe … dein Lehrer teilte mir mit, dass du noch nicht viel Zeit in deine Griechisch- und Lateinstudien investiert hast.«

  »Ich weiß«, antwortete Sherlock. »MrCrowe und ich haben uns bisher auf … Mathematik konzentriert.«

  »MrCrowes Zeit ist wertvoll«, fuhr Onkel Sherrinford in ruhigem und bedächtigem Ton fort. »Und dein Bruder hat einige Kosten auf sich genommen, um sich MrCrowes Dienste zu vergewissern. Vielleicht magst du ja einmal darüber nachdenken.«

  »Das werde ich, Onkel.«

  »MrCrowe wird morgen Nachmittag wiederkommen. Vielleicht kannst du ja für mich ein bisschen was übersetzen.«

  Sherlock dachte an Mattys Prognose, dass sie nicht vor dem Abendessen zurück sein würden, und zuckte innerlich zusammen. Er konnte jedoch seinem Onkel unmöglich erzählen, dass er nach Guildford fuhr. Er wollte nicht riskieren, sich ein Verbot einzufangen. Als er aufblickte, sah er, dass MrsEglantine ihn mit ihren kleinen funkelnden Knopfaugen musterte.

  »Ich werde da sein«, versprach er und wusste schon, als er die Worte aussprach, dass er es wohl kaum rechtzeitig zurück schaffen würde. Doch über eine Erklärung konnte er sich später den Kopf zerbrechen, wenn es soweit war.